Vom 3. bis 13. Juni 2021 haben wir (Blanche, Kristin, Jöran und Nele) bei den #Edunauten ein erstes asynchrones Barcamp organisiert. In diesem Beitrag möchten wir unser Konzept und die Umsetzung erläutern sowie unsere Erfahrungen und Learnings teilen.

Idee und Ziele

Ein asynchrones Barcamp ist ein Veranstaltungsformat, bei der es keinerlei synchronen Termine gibt (= asynchron) und die Themen von den Teilnehmenden bzw. dann Teilgebenden eingebracht werden und sich alle dort beteiligen können, wo es für sie relevant ist (= Barcamp). Sinnvollerweise findet dieses Format in einem Online-Format statt.

Die Idee zu einem asynchronen Barcamp hatten wir zum einen, weil während der Corona-Pandemie sehr viel mit unterschiedlichen Online-Formaten experimentiert wurde. Unter anderem fand kurz zuvor ein erstes ‚Audio only‘-Barcamp statt, das #audiobc21. Zum anderen hatten wir den Eindruck, dass nach über einem Jahr corona-bedingten Online-Lernens viele Menschen videokonferenz-müde wurden. 

Mit einem asynchronen Barcamp wollten wir insbesondere drei Ziele erreichen:

  1. Konzentriertes Weiterdenken an aktuellen Fragen und Herausforderungen zeitgemäßer Pädagogik: Hier griffen wir das Thema des ersten Edunauten-Unkurses vom März 2020 auf, in dem wir nach zeitgemäßen Perspektiven für Online-Lernen gefragt hatten. Unsere Frage nun war, wie sich zeitgemäße Bildung nach Corona gestalten lässt.  
  2. Systematische Sammlung, Dokumentation und Weiternutzungsmöglichkeit der in den Sessions behandelten Themen: Mit der Asynchronität des Barcamps erhofften wir uns – mehr noch als bei einem Flipped Barcamp, bei dem die Session-Inhalte vorab als Aufzeichnung zur Verfügung stehen – eine gute Dokumentation und Sicherung der Inhalte, weil Asynchronität ja bedeutet, dass auch die Diskussionen aufgezeichnet werden.
  3. Niederschwellige und zeitlich flexible Beteiligung für möglichst viele interessierte Menschen aus allen Bildungsbereichen.

Technische Umsetzung

Bei der technischen Umsetzung des Barcamps war uns Niederschwelligkeit wichtig. Es sollte Menschen sowohl sehr einfach möglich sein, eine eigene Session einzureichen als auch sich an ausgewählten Sessions zu beteiligen. Zudem organisierten wir das Barcamp ehrenamtlich und hatten somit auch selbst nur begrenzte zeitliche Ressourcen für die Gestaltung zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund entschieden wir uns für die Nutzung von WordPress als technische Basis.

WordPress ist vom Grundsatz her ein Content Managment System zur Erstellung eines Blogs, das durch zahlreiche Plugins erweitert und flexibel gestaltet werden kann. Wir entschieden uns für den folgenden Aufbau:

  1. Sessions sollten als Blogbeiträge gestaltet und nur nach Registrierung eingereicht werden können. Hierzu nutzen wir das Plugin BuddyBlog in Kombination mit BP Simple Front End Post als Zusatz zu einem BuddyPress System. Hierüber wird es Nutzer*innen ermöglicht, Beiträge direkt über das Frontend zu schreiben und darüber auch bei Bedarf zu bearbeiten.
  2. Die Kommentierung der Sessions sollte sowohl mit Registrierung als auch anonym möglich sein. Hierzu nutzten wir die Standard-Kommentarfunktion von WordPress mit den entsprechenden geöffneten Einstellungen für anonyme Nutzer*innen. Um auch Audio-Kommentare und das Teilen von anderen Medien zu ermöglichen, ergänzten wir es um das Plugin DCO Comment Attachement.
  3. Damit Nutzer*innen einfach an Diskussionen ‚dranbleiben‘ konnten, ermöglichten wir es außerdem, Kommentare zu Beiträgen zu abonnieren. Dies geht mit dem Subscribe to Comments Reloaded Plugin – und zwar sowohl, wenn man selbst kommentiert, als auch ohne einen eigenen Kommentar.

Unser ursprüngliches Ziel war es, dass auch das Angebot einer Session ganz ohne Registrierung möglich sein sollte. Hierzu hätten wir auf das Plugin Gravity Forms in Verbindung mit der Ergänzung Form-to-Blogpost zurückgegriffen. Da wir es aber als wichtiger ansahen, dass Sessiongeber*innen auch nachträglich noch Bearbeitungsmöglichkeiten bei ihrer Session hatten, als ganz auf eine Registrierung zu verzichten, verwarfen wir dieses Vorhaben. Zudem konnten wir darauf aufbauen, dass von dem Edunauten-Unkurs im Vorjahr noch rund 800 Personen auf der Website registriert waren.

Konzeptionelle Planung

Bereits vorab überlegten wir uns, dass wir das Barcamp mit regelmäßigen Mails begleiten wollten. Hier kam uns zugute, dass wir auf den Edunauten-Verteiler vom Vorjahr mit über 1.000 Abonnent*innen zurückgreifen konnten.

Schwer einzuschätzen war für uns im Vorfeld, wieviel vorgegebene Struktur ein asynchrones Barcamp benötigt. Eine Idee von uns war, dass wir eine Auswahl zwischen Sprint- und Marathon-Sessions anbieten wollten. Sprint-Sessions wären dabei für ein Wochenende angelegt, Marathon-Sessions dagegen über den gesamten Barcamp-Zeitraum. Im Ergebnis entschieden wir uns bei diesem ersten Experiment aber für weniger Struktur und mehr Einfachheit und boten lediglich drei Format-Kategorien für Sessions zur Auswahl an: Workshop, Diskussion und Joker. Diese erläuterten wir den Teilgebenden wie folgt:

  • Bei einer Diskussion gibt die session-anbietende Person einen Impuls als Input oder als Fragestellung; die session-teilnehmenden Personen geben Rückmeldungen, Ideen, Kommentare etc.
  • Bei einem Workshop wird konkret an etwas gearbeitet, „hands on!“ Entweder an einem gemeinsamen Ding oder jede*r für sich selbst. Die session-anbietende Person macht etwas vor, die session-teilnehmenden Personen sollen mitmachen oder nachmachen.
  • Bei einem Joker kann sich die session-anbietende Person einen eigenen Modus ausdenken, den sie in der Sessionbeschreibung erklärt.

Weitere konzeptionelle Planungen stellten wir nicht an, sondern beschlossen, im Prozess zu lernen und bei Bedarf anzupassen. Da es unser erstes asynchrones Barcamp war, war uns bei der Kommunikation wichtig, den experimentellen Charakter und den erhofften kollaborativen Lernprozess immer deutlich zu machen.

Bewerbung

Zur Bewerbung des Barcamps nutzten wir vorrangig unsere eigenen Twitter-Accounts. Außerdem den bereits erwähnten und im Vorjahr aufgebauten Edunauten-Verteiler. Weitere Social Media Kanäle waren LinkedIn, Instagram, Facebook und auch TikTok. Der #Edunauten-Hashtag wurde nur auf Twitter in relevantem Umfang genutzt. 

Um die Idee des asynchronen Barcamps gut erklären zu können, nahmen wir ein kurzes Video auf.  

Umsetzung

Nach unserem ersten Aufruf ca. eine Woche vor Start des Barcamps gingen recht bald die ersten Sessions ein. Insgesamt kamen wir auf eine Anzahl von 40 Sessions, was unsere Erwartungen übertraf. 

Um den Teilgebenden eine Barcamp-Sessionsvorstellung auch in asynchroner Form zu ermöglichen, entschlossen wir uns spontan dazu, die Teilgebenden um eine kurze Sprachnachricht mit ca. 60 Sekunden zu bitten, in der sie sich und ihre Session vorstellen. Als ‚Kanäle‘ boten wir hier WhatApp, Threema, Signal, Telegram und Mail an, wobei auch alle Kanäle mindestens einmal genutzt wurden. Am beliebtesten waren Signal, Telegram und Mail. Insgesamt hatten wir hier einen sehr guten Rücklauf. Das ermutigte uns dazu, das Medium Audio auch im weiteren Verlauf des Barcamps zu nutzen.

Konkret entwickelten wir die Idee eines ‚Radio Edunauten‘, in dem wir Sprachnachrichten von Teilgebenden und uns als Crew zusammenschnitten – und dann sowohl über die Website als auch den Mail-Verteiler teilten. Neben der ersten Folge mit den Session-Vorstellungen gab es im Verlauf des Barcamps noch drei weitere Folgen.

Die Diskussion beim Barcamp empfanden wir als recht lebendig. Insgesamt gab es 414 Kommentare über die Plattform. Das sind durchschnittlich gut 10 Beiträge pro Session, wobei die Streuung groß war.Zusätzlich diskutierten Menschen in weiteren asynchronen Kommunikationsräumen, die die Session-Geber*innen nach eigenen Ermessen eröffnet hatten. Dabei handelte es sich z.B. um Gruppen auf Telegram oder Whiteboards auf Miro. Von Sessiongeber*innen erhielten wir allerdings auch die Rückmeldung, dass sie sich mehr erhofft hatten. Wenig Beteiligung schien es vor allem in den Sessions zu geben, in denen die Teilnahme voraussetzungsreich war und/ oder in denen Sessiongeber*innen die Session nicht zusätzlich bewarben.  

Wir begleiteten das Barcamp über den gesamten Zeitraum mit Mails über den eingerichteten Verteiler. Hier luden wir immer dazu ein, uns bei Fragen oder Anregungen direkt über die ‘Antworten’-Funktion der Mail zu kontaktieren.

Zum weiterführenden Austausch unter den Teilgebenden etablierten wir ein ‘Mail-Buddy’-Programm: Wer mochte, konnte seine Mailadresse eingeben – und erhielt im Gegenzug per Zufall die Mailadresse einer anderen Person – samt ein paar Fragen als Anstoß für den Austausch. Diese Möglichkeit wurde allerdings kaum wahrgenommen. 

Learnings

Wir haben aus der Durchführung des ersten asynchronen Barcamp vor allem gelernt, dass ein asynchrones Barcamp mehr oder mindestens sehr andere Herausforderungen an das organisierende Team stellt, als von einem ’normalen‘ Barcamp bekannt. Folgende Punkte sind für uns im Rückblick vor allem entscheidend:

  1. Sessiongeber:innen brauchen mehr Unterstützung und Austausch: Die wenigsten Sessiongeber*innen (uns selbst eingeschlossen) haben sich vor dem Beginn des Barcamps umfassend Gedanken darüber gemacht, wie sie eine asynchrone Session didaktisch gestalten können. Die klassische Session war deshalb ein Input – mit Möglichkeit zum Diskutieren. Wenn wir nochmal ein asynchrones Barcamp durchführen, dann werden wir Sessiongeber*innen hier mehr unterstützen und ihnen auch Austausch untereinander ermöglichen.
  2. Ein asynchrones Barcamp braucht mehr Begleitung: Bei einem synchronen Barcamp wird sehr viel ‘vor Ort’ abgefangen. Menschen kommen an, schauen sich um, werden begrüßt, stoßen auf bereits erfahrene Barcamper*innen …. Bei einem asynchronen Barcamp sind Teilgebende viel mehr auf sich selbst gestellt. Wir haben hier bereits mit den regelmäßigen Mails eine Ebene der Begleitung gefunden. Zufriedenstellend war es für uns aber noch nicht. 
  3. Ein asynchrones Barcamp braucht Gemeinschaftserlebnisse: Bei synchronen Barcamps entwickelt sich ein Gemeinschaftsgefühl praktisch von allein, weil Menschen zusammenkommen und auf diese Weise eine gemeinsame Dynamik entsteht. Bei einem asynchronen Barcamp gilt es nach Möglichkeiten zu suchen, dieses ebenfalls zu ermöglichen.
  4. Für ein asynchrones Barcamp sind Likes und Nutzungsstatistiken interessant. Wenn bei einem synchronen Barcamp Menschen für eine Session zusammenkommen, dann sieht man – online oder in Präsenz – wie viele Menschen dabei sind. Diese Zahl unterscheidet sich, häufig stark, von der Anzahl derjenigen die aktiv etwas beitragen. So kann es durchaus sein, dass 25 Personen teilnehmen, von denen sich 5 Personen aktiv und 20 passiv verhalten. Online sind nur die 5 Aktiven sichtbar. Weder Sessiongeber*in noch Teilnehmende noch Organisationsteam sieht, ob daneben noch 0 oder 5 oder 50 anderen Personen die Session rezipieren. Um diesen Kreis sichtbar zu machen, können niedrigste Beteiligungsformen (z.B. Likes) und sichtbare Nutzungsstatistiken interessant sein.

Fazit

Unser Fazit insgesamt fällt positiv aus. Wir sehen das Format eines asynchronen Barcamps insbesondere als ein Zeichen dafür, dass Fortbildung mehr und mehr mit dem Arbeitsalltag verwoben stattfindet – und nicht an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten. Wir freuen uns darüber, dass wir mit den Sessions und der Session-Dokumentation zahlreiche offene Inhalte für alle zum Nachlesen und -hören ‚eingesammelt‘ haben. Und wir hoffen, dass wir mit unserem Experiment und der hiermit geteilten Reflexion viele zum Nachmachen ermutigen und dabei unterstützen können.

Weitere Einblicke in die Organisation eines asynchronen Barcamps finden sich im Interview von Jöran und Nele mit Bildung.Table, das wir hier dokumentieren.

CC BY 4.0
Weiternutzung als OER ausdrücklich erlaubt: Dieses Werk und dessen Inhalte sind – sofern nicht anders angegeben – lizenziert unter CC BY 4.0. Nennung gemäß TULLU-Regel bitte wie folgt: Crew-Rückblick auf das Experiment eines ersten asynchronen Online-Barcamps von Blanche Fabri, Kristin Narr, Jöran Muuß-Merholz und Nele Hirsch, Lizenz: CC BY 4.0.