Im Newsletter Bildung-Table haben Jöran und Nele in Form eines Interviews über die Erfahrungen mit dem asynchronen Barcamp berichtet. Das Interview ist am 17. Juni erschienen, ursprünglich hier veröffentlicht und steht unter der Lizenz CC BY 4.0.

Was bringt ein asynchrones Barcamp?

Nele Hirsch: Ein Barcamp ist ein Open-Space-Format, bei dem die Teilnehmenden selbst das Programm gestalten. Es gibt im Bildungsbereich inzwischen verschiedene Präsenz- und Online-Varianten. Gegenüber klassischen Lernangeboten, bei denen Veranstalter:innen – meist lange im voraus – das Programm festlegen, haben sie einen Vorteil: dass sich alle genau mit den Fragen, Herausforderungen und Themen beschäftigen können, die für sie relevant sind – auch sehr spontan. Keine Person kann am Ende beklagen, dass ihr Thema nicht dran kam. Denn dann hätte sie einfach einen Workshop, „Session“ genannt, dazu anbieten können.

Jöran Muuß-Merholz: Ein asynchrones Barcamp findet zeitversetzt, also ohne gemeinsame Termine statt. Damit wird das Barcamp-Prinzip des selbstbestimmten Lernens verstärkt: Ich lerne nicht nur, was ich will, sondern auch, wann und solange ich will. Das asynchrone Barcamp legt nur einen gemeinsamen Zeitrahmen fest. Bei den #edunauten waren es zwei Wochen …

Hirsch: … und in dieser Zeit gab es 40 Sessions, gut 400 Beiträge auf der Plattform und zahlreiche weitere Diskussionsstränge auf externen Plattformen.

Muuß-Merholz: Die Bandbreite der Themen war enorm! Von „Digitale Achtsamkeit“, „Zeitgemäße Fehlerkultur“ über „Berufsorientierung“ bis zur konkreten Arbeit an Podcast-Reihen und virtuellen Whiteboards.

Welche Voraussetzungen brauchen Lehrkräfte?

Hirsch: Technisch ist die Durchführung eines asynchronen Barcamps und die Beteiligung daran sehr niederschwellig möglich. Bei den #edunauten handelte es sich ja beispielsweise nur um einzelne Blogbeiträge (im Barcamp-Sprech: „die Sessions“), die dann über die Kommentarfunktion unter dem Beitrag kommentiert wurden. Herausfordernder ist es, sich Zeit für aktive Beteiligung einzuplanen und die Motivation aufrecht zu halten. Das ist natürlich einfacher, wenn man zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem festgelegten Thema lernt. Allerdings fehlt es dann oft an Selbstbestimmung und Relevanz für die eigene Arbeit. 

Muuß-Merholz: Außerdem setzt es voraus, dass es überhaupt das passende Fortbildungsangebot gibt und man daran teilnehmen kann. Ein asynchrones Barcamp kann als Symptom dafür gesehen werden, dass „Fortbildung“ viel stärker mit dem Arbeitsalltag verwoben stattfindet. Das bedeutet: Fortbildung ist nicht mehr an gesonderten Tagen und gesonderten Orten mit gesonderten Leuten. Die Leute bilden sich „einfach so“ fort, ohne auf die Fortbildungsangebote „von oben“ zu warten. Die Praxis nimmt ihre Fortbildung selbst in die Hand.

Was bleibt vom asynchronen Barcamp, wenn Schule wieder analog wird?

Muuß-Merholz: Ich gehe nicht davon aus, dass mit dem Ende der Schulschließungen Online-Fortbildungen verschwinden werden. Viele werden die in der Corona-Zeit kennengelernte Flexibilität weiterhin einfordern. Das Veranstaltungsformat eines asynchronen Barcamps kann und sollte deshalb auch zukünftig genutzt werden. Das gilt umso mehr, da die Umsetzung nur wenig Aufwand bereitet und es sehr vielfältige Anpassungsmöglichkeiten in Bezug auf die genaue Ausgestaltung gibt.

Hirsch: Das Format eines asynchronen Barcamps kann sicherlich auch für Lehrerfortbildungen oder für pädagogische Tage an einzelnen Schulen angepasst und genutzt werden. Auch wäre es denkbar, es begleitend zu eher klassisch angelegten Fortbildungen anzubieten, die über einen längeren Zeitraum laufen. Eine Teilnehmerin bei den #edunauten hat beispielsweise schon angekündigt, ein asynchrones Barcamp als Methode für die Lehrkräfte-Ausbildung auszuprobieren.

Profi-Tipp

Wer ein asynchrones Barcamp selbst durchführen will, kann von den Erfahrungen der #edunauten lernen. Auch im Nachhinein stehen alle Informationen zur Durchführung und Inhalte der Sessions sowie der Austausch dazu online. Man findet alles auf der Website edunauten.de.

Kritik

Die Kehrseite der Flexibilität und Offenheit eines asynchronen Barcamps ist, dass eine synchrone Veranstaltung natürlich eine ganz andere Stimmung und Dynamik entwickeln kann. Zudem kann es irritierend wirken, dass Mitlernende nur dann sichtbar sind, wenn sie sich aktiv beteiligen. Vor diesem Hintergrund ist ein asynchrones Barcamp sicherlich kein Ersatz für synchrone Barcamps.